Studie: So verändert das Internet unser Leben

Posted by Julia Werner  • 

Wie das Internet unsere Meinung beeinflusst

Wie wirken Filterblasen?

Ein erster Schritt in diese Richtung wurde z. B. mit der Untersuchung des Phänomens der Filterblasen gemacht. Der Begriff wurde von Eli Pariser, Autor und ehemaliger Chef der Aktivisten-Plattform geprägt. Er geht von der Annahme aus, dass einzelne Nutzer:innen das Internet nur noch durch von Algorithmen kreierte Filter wahrnehmen. So werde die Gefahr, in einer Blase zu leben, in der alle einer Meinung sind, immer größer. Verschiedenen Forschungsergebnissen zufolge sind solche Filterblasen bisher nicht so dramatisch ausgeprägt.

So hat z. B. das Forschungsprojekt #Datenspende ergeben, dass die Suchergebnisse der einzelnen Nutzer bei Google gar nicht so stark personalisiert sind, wie angenommen. Wissenschaftler der TU Kaiserslautern fanden dabei heraus, dass sich von etwa neun Suchergebnissen zu prominenten Politiker:innen und Parteien nur ein bis zwei voneinander unterscheiden. Bei Parteien gebe es mit drei bis vier Ergebnissen zwar mehr Abweichungen. Berücksichtige man dabei allerdings die stärkere Regionalisierung, etwa durch Webseiten einzelner Ortsverbände, blieben ebenfalls nur noch ein bis zwei Abweichungen. Bei Google News seien die die Unterschiede ähnlich gering.

Die Diskussion um Filterblasen sei „völlig entgleist“, kritisierte auch die Leiterin des Oxford Internet Institutes Helen Margetts im Interview mit dem Tagesspiegel . Denn trotz Personalisierung seien Nutzer z. B. bei Facebook mehr Menschen und Meinungen ausgesetzt, als etwa beim Lesen einer einzelnen Zeitung. Wichtig sei vor allem auch Transparenz:

Um unsere politische Welt zu verbessern, müssen wir unweigerlich damit anfangen, Forderungen gegenüber Facebook und Twitter zu stellen. Ihre Algorithmen sind geheim und formen doch, was wir sehen. Ihr Argument dagegen ist immer ihr Firmengeheimnis. Aber ihr Geschäftsmodell ist Werbung. Wie sie Werbung zeigen, müssen sie ja nicht sagen. Trotzdem können sie erklären, nach welchen Kriterien welche Nachrichten angezeigt werden.

Digitale Komfortzone auflockern

Wer trotzdem die eigene digitale Komfortzone etwas auflockern und häufiger einen Blick über deren Rand werfen möchte, kann verschiedene Dinge tun:

1. Wenig Datenspuren hinterlassen, denn so bekommen große Anbieter weniger Informationen, um Nutzer:innen genau zu kategorisieren: Es erfordert ein bisschen Zeit, aber mit diversen Privacy AddOns wie z. B. Ghostery, Click&Clean oder uBlock Origin lassen sich z. B. Tracker auf Webseiten blockieren. Lightbeam macht die Tracking-Cookies sichtbar, durch die Nutzer:innen beim Surfen verfolgt werden. So sieht man, welche Tracker von Drittanbietern die Bewegungen im Netz verfolgen und welche Informationen beispielsweise Facebook sammelt, obwohl man gerade gar nicht in dem Netzwerk surft. Keine AddOns installieren möchte, kommt auch mit etwas Kreativität weiter: regelmäßiges Löschen der Browserdaten und Surfen mit unterschiedlichen Browsern kann ebenfalls ein bisschen helfen.

2. Google-Suche vermeiden: Suchmaschinen wie Duckduckgo oder Startpage sammeln deutlich weniger Daten als Marktführer Google. Die Metasuchmaschine Unbubble geht noch darüber hinaus: hier werden die Ergebnisse anderer Suchmaschinen durchforstet, um Personalisierung und die Gewichtung interessensgeleiteter oder bezahlter Inhalte zu umgehen.

Leben im Internet: Das Denken verkümmert, das Mitgefühl verdorrt

Jeder hat das Gefühl, die Welt kreise um ihn, seine Meinung ist wichtig, seine Bewertung kann Restaurants ruinieren, sein Kommentar demütigt Politiker, seine Krankheit - die einmaligste, er hat das nachgesehen, der Mensch, er kann alles, der Mensch, er hat Tutorials gesehen, Klimawechsel - schon begriffen. Cern - alles klar, Magenoperationen. Kann er selber. Komm mal her, Gertrud. Gertrud ist jetzt tot. Aber online lebt sie weiter.

Second Life war der Probelauf. Jetzt sind wir alle im Second Life, hurra. Milliarden halten sich in einer neuen Welt auf, deren Grundfunktionen sie noch weniger durchschauen als die der sogenannten Realwelt aus Lava und Atmosphäre, sie wissen schon, das Ding da draußen. Milliarden haben keine Ahnung, wie ein Rechner funktioniert, Algorithmen, wie man manipulieren kann, was manipuliert wird, sie starren auf Pixel und vertrauen. Was ja eigentlich rührend ist. Der Einzelne hat die Relation seiner Bedeutung komplett verloren, verloren das Gefühl, ein Wurm unter Milliarden zu sein.

Studie: So verändert das Internet unser Leben

"Die Netzgesellschaft"

Bild: Zukunftsinstitut Mit den Fragen, welchen Einfluss das World Wide Web auf unser Leben hat und welche Chancen und neuen Herausforderungen sich auf dem Weg in die Netzgesellschaft von morgen ergeben, befasst sich die Studie "Die Netzgesellschaft" des Zukunftsinstituts. Dabei geht es weniger um die technologischen Aspekte des digitalen Wandels wie etwa die Sicherheit von Cloud Computing oder die fehlende Breitband-Versorgung in ländlichen Regionen, sondern vielmehr die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die das Internet hervorruft. Wie verändert der Gefällt-mir-Button von Facebook Marketing und Kommunikation? Wieso führt der Umgang mit immer mehr Passwörtern und Accounts zu einem völlig neuen Verständnis von Identität? Und welchen Einfluss nehmen Empfehlungen, Vernetzungen und Kommentare aus dem Internet auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik?

"Die Netzgesellschaft"

Bild: Zukunftsinstitut "Das Internet ist weltweit kein alleiniger Tummelplatz mehr einer zahlungskräftigen und mit entsprechender Hardware ausgestatteten Info-Elite. Es gibt heute kaum noch eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die sich dem Sog des World Wide Web entziehen kann. Es ist in der Mitte der Gesellschaft verankert – genauso eine Instanz des Zeitvertreibs wie der Zeitverschwendung, ebenso ein manipulierendes Massenmedium wie ein Demokratiewerkzeug, eine bunte, laute Multimediamaschine wie eine seriöse – mitunter gar die einzige – Quelle für Information", schreiben die Studien-Autoren Andreas Haderlein und Janine Seitz. 2015 würden schätzungsweise 80 Prozent der Deutschen online sein, heute seien es der ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 zufolge annähernd 50 Millionen, die als Nutzer von E-Mail, Facebook, YouTube-Gucker oder Schüler eines virtuellen Klassenzimmers im Netz unterwegs sind. Überraschende Erkenntnis ihrer Recherche: Obwohl immer Menschen immer selbstverständlicher Online-Shops, Online-Auktionen, Online-Banking, Online-Partnerbörsen, E-Mail und soziale Netzwerke nutzten, würden viele von ihnen das Internet gar nicht mehr als prägend wahrnehmen.

"Das Internet wird nicht nur immer selbstverständlicher, es wird vor allem allgegenwärtiger", heißt es in "Die Netzgesellschaft". In einer hypermobilen 24/7-Gesellschaft wollten immer mehr Menschen von überall und rund um die Uhr Zugang zum Internet. Unabhängig von Ort und Zeit High-Speed-Zugriff auf E-Mails, Daten und Informationen zu haben, werde zum individuellen Grundbedürfnis vieler Menschen, die den permanenten Anschluss an ihre Netzwerke nicht missen wollten. Den wohl größten Anteil am Erfolg des mobilen Internet schreiben die Studien-Autoren dem Apple iPhone zu, das die Internetnutzung auf Basis tausender dezentral entwickelter Applikationen leichter und intuitiver gemacht habe.

Schlüsseltrends des digitalen Wandels

Im ersten Teil der Studie führen die beiden Autoren den Lesern die verschiedenen Facetten des digitalen Lebens vor Augen. In zehn Unterkapiteln werden wichtige Lebensbereiche von Freizeit und Konsum über Medien und Arbeit bis hin zu Religion und Politik unterdie Lupe genommen. Jeder Abschnitt wird am Ende mit weiterführenden Lese- und Linktipps ergänzt. Das Beispiel der kollaborativen Plagiatsdokumentations-Plattform Guttenplag verdeutliche zum Beispiel, dass neben der Weitergabe von Trends und Moden auch politischen Meinungen und Empörungen viel schneller Gehör verschafft werden kann und somit Veränderungen in politischen Strukturen ermöglicht werden. Und Ikeas Umarmung (Ikea Heights) von jungen Fans, die in einer der Filialen des Möbelhauses ohne Genehmigung ein Video drehten, zeige, dass soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook & Co. das Marketing nicht nur revolutionierten, sondern auch Umbrüche in der publizistischen Ökonomie auslösten und am Selbstverständnis des Journalismus rüttelten.

Im zweiten Teil liefern die Autoren einen Ausblick in die Zukunft und definieren Schlüsseltrends des digitalen Wandels. Hierzu gehören unter anderem die Trends "Open Everything - Die Welt gehört der Offenheit", "Mobivilisation - das mobile Internet als Treiber für Fortschritt und Teilhabe" sowie "Pervasive Web - Sensortechnik, RFID-Technik und Internet-Konnektivität an (fast) allen Orten". Die Berliner Philharmonie strahlt beispielsweise in ihrer Digital Concert Hall [Link entfernt] alle Konzerte live über das Internet aus und macht diese in einem Archiv der Öffentlichkeit zugänglich ("Open Everything"). Die Fluglinie Austrian Airlines Group rechnet dagegen für dieses Jahr damit, dass jeder zweite Fluggast per Smartphone einchecken wird ("Mobivilisation").

Die Studie schließt mit einem Glossar, das alle in der Studie eingeführten Begriffe erläutert, sowie fünf Thesen zum Erfolg von digitalen Netzwerken. Fürs Funktionieren eines "intelligenten Netzwerks" sei es wichtig, dass die Mitglieder hierarchieübergreifend miteinander kommunizieren, sie sich jeweils einen Ruf erarbeiten können und sie daraus einen Mehrwert für das Leben außerhalb des Internet ziehen. Unternehmen könnten von Netzwerken profitieren, indem sie Freiwillige für ihre Produkte werben lassen und die Motivation ihrer Mitarbeiter erhöhen.

Interessenten können die über 200 Seiten lange Studie über die Website des Zukunftsinstituts bestellen. Bei einer Bestellung bis zum 5. Mai kostet sie 181,90 Euro, danach 203,30 Euro.

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