Mobilfunk wird auf 6G aufrüsten

Posted by Julia Werner  • 

Ausblick: Erste Ideen für 6G

Derzeit intensiviert die Mobilfunkbranche ihre Diskussionen über die Konzepte für die nächste Mobilfunkgeneration. Auch wenn „6G“ noch bis 2030 auf sich warten lassen wird, haben die Arbeiten daran längst begonnen. Etwa auf dem „5G++ Summit“, der Mitte Mai 2022 in Dresden stattfand. Die Intelligente Welt war mit vor Ort.

Aufmacherbild: (C) 5G++ Summit 2022 / TU Dresden

Nein, um einen Tippfehler in der Überschrift dieses Beitrags handelt es sich nicht. Zwar sind die Mobilfunkanbieter noch mitten dabei, ihre Netze auf den 5G-Standard auszubauen – und werden dafür auch noch einige weitere Jahre benötigen. Dennoch beginnen in der Telekommunikationsbranche bereits die ersten Arbeiten am nachfolgenden Mobilfunkstandard, 6G.

Der Grund dafür leuchtet schnell ein. Ob es nun eine Gesetzmäßigkeit ist oder vielleicht auch eine selbsterfüllende Prophezeiung: Einen neuen Mobilfunkstandard gibt es etwa alle zehn Jahre. Anfang der 1990er starteten in vielen Ländern die GSM- oder 2G-Netze. Im Jahr 2000 folgte UMTS beziehungsweise 3G. Um 2010 herum begann die Einführung von LTE beziehungsweise 4G. Und 2020 starteten die Netzbetreiber mit dem Ausbau von 5G. Folglich ist 6G um das Jahr 2030 herum zu erwarten.

Die Entwicklung eines neuen Mobilfunkstandards braucht viele Jahre

Das ist zwar noch einige Jahre entfernt – aber die Vorarbeiten für so einen neuen Standard brauchen auch ihre Zeit. Aus Forschungsergebnissen und frühen Ideen entwickeln die zuständigen Standardisierungsgremien erste Konzepte. Im Fall von Mobilfunkstandards ist das insbesondere der Branchenverbund 3GPP (3rd Generation Partnership Project), die NGMN Alliance (Next Generation Mobile Networks Alliance) aber auch auf Teilbereiche spezialisierte Gremien wie das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers). Diese Konzepte werden dann in Sitzungsrunden, deren Termine sich zum Teil über mehrere Jahre erstrecken können, in Standards übersetzt. Auf Basis dieser Standards bauen dann Chip- und Softwareentwickler erste Hardware und Software für den neuen Standard. Und auf deren Basis wiederum entwickeln Netzausrüster die erforderlichen Infrastruktur-Produkte, und Smartphone-Hersteller geeignete Endgeräte.

Wenn 6G im Jahr 2030 einsatzbereit sein soll, muss die Arbeit daran jetzt starten. Und genau das geschieht auch. So traf sich beispielsweise das gerade schon erwähnte IEEE Mitte Mai 2022 in Dresden zum „5G++ Summit“. Wie der Name der Veranstaltung schon andeutet, ging es dabei um die Weiterentwicklung von 5G in Richtung 6G.

Intelligente-Welt-Autor Hannes Rügheimer auf dem 5G++ Summit in Dresden, Mitte Mai 2022.

Wie bei allen Technologiesprüngen wird auch 6G eine Weiterentwicklung des heutigen (und morgiger) 5G-Standards sein. Ob 6G eher Evolution oder eher Revolution sein wird, ist dabei aber eine der Fragen, über auch auf der Veranstaltung in Dresden durchaus intensiv diskutiert wurde.

Der Weg von IoT und Robotik in den Massenmarkt

Der vermeintlich frühe Termin hat aber auch noch einen anderen Grund – und auch der wurde auf dem IEEE-Kongress deutlich: Veranstalter des Summit war die TU Dresden, federführend vertreten durch Prof. Gerhard Fettweis und Prof. Frank Fitzek. Beide sind in der Mobilfunkbranche wohlbekannt als wichtige Impulsgeber für technologische Weiterentwicklungen. Bei Treffen wie dem in Dresden geht es nämlich immer auch darum, die eigenen Ideen und Vorstellungen frühzeitig in den Ring zu werfen – um dann in der weiteren Entwicklung auch wieder eine prägende Rolle zu spielen. Nicht nur die Wissenschaft steckt auf diese Weise „ihre Claims“ ab – dasselbe tun auch die einschlägigen Hersteller wie etwa Nokia, Ericsson, Huawei oder Qualcomm. Auch sie waren mit Firmenvertretern auf dem Kongress und mit Ständen auf der begleitenden Ausstellung vertreten.

Welche Zielsetzung 6G verfolgt, skizzierte Professor Gerhard Fettweis in seinem Eröffnungsvortrag. Dabei machte er auf eine weitere Gesetzmäßigkeit aufmerksam, die er bei der Entwicklung von Mobilfunktechnologien beobachtet hat: Die Standards mit den jeweils ungeraden Nummern etablieren neue Mobilfunk-Technologien im Business-Markt. Mit den geraden Nummern erschließen dieselben Technologien dann den Massenmarkt. Die analogen Mobilfunkstandards beziehungsweise 1G ermöglichten mobiles Telefonieren in erster Linie Geschäftsleuten. GSM beziehungsweise 2G führte diese Anwendung dann in den Massenmarkt. Mit UMTS beziehungsweise 3G konnten vor allem Business-User mobile Datenkommunikation nutzen. Mit 4G/LTE wurde mobiles Messaging und Surfen dann auch für Privatleute attraktiv. 5G vernetzt Roboter und Sensorik in Fabriken und für Industrieanwendungen. Von 6G erwartet Prof. Fettweis, dass etwa ferngesteuerte Roboter oder vernetzte Sensorik sich auch in Privathaushalten etablieren werden.

Noch schneller, höher – aber nicht unbedingt weiter: Neue Frequenzen für 6G

Doch natürlich wird sich 6G nicht allein auf diese Anwendung beschränken. Quasi ganz automatisch dürften sich auch die anderen Mobilfunk-Leistungsdaten verbessern: Noch höhere Datenraten – im Endausbau von 6G soll der Terabit-Bereich geknackt werden. Noch geringere Latenzen – wo es die Anwendungen brauchen, auch mit nur noch Bruchteilen von Millisekunden. Und noch bessere Energieeffizienz im Netz, bei Endgeräten und vor allem bei vernetzten Sensoren und IoT-Applikationen.

Um dies zu ermöglichen, sollen beispielsweise noch höhere Frequenzbereiche für 6G-Mobilfunk erschlossen werden. Aktuell nutzt 5G bis 3,7 GHz, über Frequenzbänder um 26 GHz wird diskutiert. Für 6G haben die Spektrum-Verwalter zusätzlich den Bereich von 110 bis 170 GHz ins Auge gefasst. Und für Ultrakurzstrecken-Verbindungen könnten sogar Frequenzblocks im Terahertz-Bereich in Frage kommen. Allerdings: Diese extrem hohen Frequenzen stellen auch extreme Herausforderungen an Modem-Chips und Sender/Empfänger – für die die Branche erst allmählich erste Lösungskonzepte findet. Zudem gilt: Je höher die Frequenz, umso geringer die Reichweite. Deshalb kommen Terahertz-Frequenzen wohl nur für Kurzstreckenübertragungen in Betracht.

Allerdings haben diese Frequenzen noch eine andere Eigenschaft: Mit ihnen lassen sich Objekte erkennen und die Signalübertragung damit gleichzeitig zum Sensor machen. Die Funkwellen von 6G ließen sich somit quasi nebenbei auch als Sensoren etwa für Gestensteuerungen oder für die Abstandsmessung zwischen Fahrzeugen oder anderen Objekten mit nutzen. Mit extrem hohen Auflösungen von deutlich unter einem Zentimeter. Profitieren dürfte von minimalen Latenzen, extrem hohen Datenraten und ultrapräziser Sensorik beispielsweise das in der IT-Branche gerade sehr gehypte „Metaverse“.

Künstliche Intelligenz überwacht und optimiert 6G-Netze permanent

Die skizzierten Eckdaten haben auch Auswirkungen auf die Netztopologie – also den strukturellen Aufbau der Mobilfunknetze. „Das Netz wird zum Sensor“ ist eine der Vorhersagen für 6G. Die Aussage bezieht sich auf die gerade schon beschriebene Erkennung von Objekten, Fahrzeugen oder sogar Handgesten. Aber auch darauf, dass 6G-Netze zum Beispiel auch Änderungen in den Nutzungsmustern ihrer Teilnehmer erkennen können – und selbstständig darauf reagieren.

In diesem Zusammenhang war in Dresden etwa auch von „Cell-less Mobile Networks“ die Rede. Dies soll nicht bedeuten, dass es in 6G-Netzen keine Mobilfunkzellen mehr gibt. Da sich die Netze aber durch massive Nutzung von Künstlicher Intelligenz permanent selbst überwachen und optimieren, sind ergänzende Konzepte zu den bisherigen, starren Mobilfunktürmen denkbar. So könnte ein 6G-Netz beispielsweise Drohnen oder autonome Fahrzeug als „Füllsender“ zu Orten schicken, an denen die Nachfrage nach Kapazität gerade besonders hoch ist. Die KI sorgt dabei nicht nur für Verfügbarkeit und Kapazität, sondern durch situationsabhängiges Routing von Datenpaketen bereits auf der Luftschnittstelle auch für höhere Zuverlässigkeit. Sprich: Mobiltelefone könnten beispielsweise als Repeater beziehungsweise Relais für 6G-Signale dienen und so den Datenfluss konstant am Laufen halten.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Übertragungssicherheit in künftigen Mobilfunknetzen. Darauf wies beispielsweise Prof. Frank Fitzek in einem Vortrag hin. Im Jahr 2030 müsse man möglicherweise damit rechnen, dass Quantencomputer bereits in einem solchen Umfang verfügbar sind, dass traditionelle Verschlüsselungsverfahren an ihre Grenzen geraten. Starke Datenverschlüsselung verlässt sich heute darauf, dass das Knacken der Codes mit aktueller Rechenleistung zehntausende oder hunderttausende von Jahren dauert. Wenn die nach gänzlich anderem Prinzip arbeitenden Quantencomputer dazu nur noch wenige Sekunden brauchen, ist die Datensicherheit dahin.

Gleichzeitig bieten Quantencomputer aber auch neue Möglichkeiten zum Schutz von Daten. Geschickt angelegte Quantenkryptografie gilt als theoretisch unknackbar. Und mit sogenannter Quantenverschränkung (der permanenten Wechselwirkung von Quantenteilchen, auch wenn diese räumlich weit voneinander getrennt sind). ließe sich beispielsweise erkennen, ob ein verschlüsseltes Datenpaket schon einmal ausgelesen wurde oder nicht. Auch die gegenseitige Identifikation von Kommunikationsteilnehmern – Ist das Gegenüber wirklich die/derjenige, der sie/er behauptet zu sein? – lässt sich damit absichern.

Gerade diese Beispiele zeigen aber auch, dass die für 6G diskutierten Konzepte an der vordersten Front aktuellen wissenschaftlichen Verständnisses angesiedelt sind. Doch anders lässt sich eine Technologie, die erst in acht Jahren marktreif sein soll, wohl auch kaum planen. Klar ist auch, dass der Forschungsbedarf für solche Lösungen noch erheblich ist.

Auch der Übergang von 5G zu 6G dürfte fließend erfolgen

Wie eingangs schon erwähnt, wird 6G in wichtigen Teilen auf 5G aufbauen. Der Übergang zwischen Mobilfunkgenerationen ist dabei in der Regel auch nicht abrupt, sondern eher fließend. So wie es „3.5G“ als Zwischenschritt zwischen UMTS und LTE oder „4.5G“ als 5G-nahe Tuning-Variante von 4G gab, ist also auch ein „5.5G“ recht wahrscheinlich. Ein solcher Zwischenstandard, den wir vielleicht im Jahr 2026 oder 2027 sehen könnten, würde dann das heutige 5G-Netz mit ersten Konzepten aus 6G weiterentwickeln. In diesem Fall wird das technologische Voranschreiten spannend und faszinierend sein – auch deshalb bleiben wir auch an diesem Thema auf jeden Fall dran.

6G-Leuchtturmprojekt nimmt Fahrt auf

Bis 2030, so hoffen die beteiligten Forscher und Firmen, wird 6G Marktreife erreichen und die nächste Stufe der drahtlosen Kommunikation einläuten. Denn auch die sechste Generation des Mobilfunks ist mehr als nur ein weiterer Übertragungsstandard. Neuartige Architekturen und Dienste sollen die physische und die virtuelle Welt noch enger miteinander verschmelzen lassen. Die Grundlagen dazu werden unter anderem im deutschen Forschungsprojekt 6G-ANNA gelegt.

Mit einem eingängigen Namen startete ein umfangreiches Projekt zur Vorbereitung der nächsten Mobilfunkgeneration: 6G-ANNA ist das Forschungsvorhaben betitelt, als Kurzform für 6G-Access, Network of Networks, Automation & Simplification. Dahinter steht eine Systemarchitektur, die sich auf drei Säulen gründet: dem 6G-Zugangsnetz („Access“), der Integration heterogener Endgeräte und Subnetze mit dem Mobilfunknetz („Netz der Netze“), sowie den Themen Automatisierung und Vereinfachung. Wichtige Aspekte ausgewählter Anwendungsfälle wie Subnetze, Extended Reality (XR) und Digitale Zwillinge (Digital Twins) in Echtzeit sollen ebenfalls umgesetzt und als Machbarkeitsstudien vorgestellt werden.

In dem auf drei Jahre angelegten Verbundprojekt, welches durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, arbeiten 29 renommierte nationale Partner zusammen, um die 6G-Forschung und -Standardisierung voranzutreiben. Beteiligt sind Unternehmen wie Vodafone, Ericsson und Nokia, Bosch, Siemens und Airbus, PHYSEC und Rohde & Schwarz, dazu einige Fraunhofer-Institute und etliche Universitäten. Die gesamte Liste ist auf der Website des BMBF zu finden. Wir stellen Ihnen hier einige der Projektpartner und ihre Beiträge zur 6G-Entwicklung vor.

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6G: Technische und gesellschaftliche Ziele

Mit diesem Leuchtturm-Projekt will die Bundesregierung die deutsche und europäische Forschung im Bereich 6G unterstützen, die Entwicklung der Technik aktiv gestalten und – gemeinsam mit anderen europäischen Initiativen – bereits im Vorfeld des Standardisierungsprozesses eine Führungsrolle einnehmen, die einen relevanten Einfluss auf die Gremienarbeit sichert.

Die nächste Generation der mobilen Datenkommunikation soll dazu beitragen, die Digitalisierung voranzutreiben und einer hypervernetzten Wirtschaft und Gesellschaft den Weg bereiten. Deutschland und die EU sind deshalb bestrebt, dass 6G-Lösungen nicht nur technisch leistungsfähige, sondern auch vertrauenswürdige und nachhaltige Systeme sind, die den Handlungsgrundsätzen und Werten der Europäischen Union von Grund auf Rechnung tragen. Das richtet ich insbesondere gegen China und dessen wachsende Bestrebungen, Überwachungsmöglichkeiten in die technischen Spezifikationen neuer Standards zu integrieren.

Natürlich sind auch wirtschaftliche Ziele mit 6G-ANNA verbunden: Der Aufbau von Know-how, die Ansiedlung einer Fertigung von Schlüsselkomponenten in Deutschland und die Berücksichtigung der Anforderungen deutscher Leitindustrien sollen dazu beitragen, die technische Souveränität Deutschlands und der EU zu stärken. Gegenüber dem Handelsblatt sagte die Bildungsministerin:

„6G ist eine riesige Chance für Deutschland, die wir nutzen müssen. Die 6G-Forschung schafft die Voraussetzung für Innovationen und Wachstum“. Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung

Nokia geht voran

Die Leitung des zum 1. Juli 2022 gestarteten Projekts mit einem Gesamtvolumen von 38,4 Mio. Euro liegt in den Händen von Nokia. Der finnische Mobilfunkkonzern übt hierzulande umfangreiche Forschungstätigkeiten aus. Nokia wird eng mit dem Verbundkonsortium zusammenarbeiten und mit weiteren Projekten der gesamten 6G-Förderinitiative kooperieren. Darunter befinden sich beispielsweise vier universitäre 6G-Hubs mit mehr als 60 Lehrstühlen. Im internationalen Kontext soll 6G-ANNA die 6G-Förderinitiative maßgeblich darin unterstützen, sich mit 6G-Projekten in Europa und darüber hinaus auszutauschen, Innovationen im Bereich 6G global voranzutreiben und die 6G-Standardisierung zu gestalten.

„Mit 6G-ANNA führt Nokia das wichtigste staatlich geförderte 6G-Leuchtturmprojekt in Deutschland an. Auch wenn die ersten 6G-Netze voraussichtlich nicht vor 2030 kommerziell verfügbar sein werden, legen wir mit diesem Forschungsvorhaben bereits jetzt die technischen Grundlagen. Wir sorgen so für langfristig angelegte Innovationen, die die 6G-Entwicklung national und international vorantreiben werden.“ Peter Merz, Head of Nokia Standards

Nach Einschätzung von Nokia wird 6G nicht nur auf bestehenden Technologien und Systemen aufbauen, sondern auch disruptive Innovationen in die Gesamtarchitektur integrieren und somit auch neue Anwendungsfelder erschließen. Nicht weniger als ein neuformuliertes Konzept der Netzkommunikation erwarten die Finnen. Sie soll durch eine hochgradig agile und kognitive Architektur ermöglicht werden. Diese stellt automatisch neue Dienste bereit, welche optimal auf diese Anwendungen zugeschnitten sind, optimiert die Verbindungen mittels integrierter KI und stellt nicht nur die Verbindung zu unzähligen Sensoren her – das Netz selbst wird zum Sensor. Letztendlich werden zukünftige Netze die menschliche, die physische und die digitale Welt zunehmend miteinander verschmelzen, so die Erwartung der 6G-Forscher. In sechs Szenarien macht Nokia diese Vision in seinem 6G-eBook anschaulich.

Vorstoß in die Terahertz-Region

Projektpartner Rohde & Schwarz kündigte an, seine bereits umfassenden Forschungen zu 6G und verwandten Technologien, die das Unternehmen unter dem Titel #Thinksix betreibt, in das Forschungsvorhaben mit einzubringen. Dazu zählen zum Beispiel (Sub-)THz-Kommunikation, Joint Communication and Sensing (JCAS), künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) oder rekonfigurierbare intelligente Oberflächen (RIS).

Insbesondere die Datenübertragung auf Frequenzen jenseits von 100 GHz, wie im D-Band (Sub-THz-Bereich, 110 GHz bis 170 GHz) oder im H-Band (bei 300 GHz bzw. 0,3 THz) stellt die Forschung vor neue Herausforderungen. Rohde & Schwarz hat bereits vor Jahren gemeinsam mit Partnern damit begonnen, Sende-/Empfangsmodule, Signalgeneratoren, 2D- und 3D-Antennentechnik sowie einen geeigneten Signal- und Spektrumanalysator zu entwickeln. So stehen heute beispielsweise Over-the-Air-Tests (OTA-Test) mit Bandbreiten von 2 GHz für die 6G-Forschung zur Verfügung. Geeignete Sende- und Empfangs-Dioden hat beispielsweise das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. Mit ihnen könnten künftig enge Innenstadtnetze geknüpft werden, wie der Beitrag „6G funkt von jeder Laterne“ darlegt.

Ausfallsicherheit von 99,999999999 Prozent

Ebenfalls Teil der 6G-ANNA-Forschungsinitiative ist die Technische Universität München (TUM). Hier ist das 6G Zukunftslabor Bayern angesiedelt. Projektleiter Prof. Wolfgang Kellerer ist zugleich einer der beiden Sprecher der Plattform Thinknet 6G von Bayern Innovativ, einem weiteren Baustein der bayerischen Initiative, die alle relevanten Akteurinnen und Akteure vernetzen will.

Zentrale Ziele des 6G-Zukunftslabors sind größte Ausfallsicherheit, kürzeste Latenzzeiten, höchste Energieeffizienz und neue Verfahren, die auch beim Einsatz von Quantencomputern Datensicherheit bieten. Damit sollen die Grundlagen gelegt werden für Hightech-Anwendungen wie beispielsweise Tele-Operationen, für die eine Ausfallsicherheit von 99,999999999 Prozent angestrebt wird. Aber auch die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter, beispielsweise in der Pflege, muss ohne Probleme funktionieren. Dazu ist neben Ausfallsicherheit auch eine äußerst geringe Latenz nötig. Schließlich könnte eine falsche Reaktion schon binnen Sekundenbruchteilen dazu führen, dass der Roboter jemanden verletzt oder etwas zerstört.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt sind digitale Zwillinge: Sowohl virtuelle Abbilder eines Objekts oder einer Produktionsanlage als auch des Netzwerks selbst sollen es ermöglichen, das Netzwerk zu trainieren und für seine Aufgaben zu optimieren, auch mithilfe Künstlicher Intelligenz 8KI) und Maschinellem Lernen (ML).

Kollaboratives „Netzwerk der Netze“

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist im Verbund von 6G-ANNA für die Entwicklung eines neuen Netzwerkkonzepts verantwortlich: Context-aware Collaborative 6G IIoT Networking for Autonomous Systems. Hier sind besonders drei Aspekte wichtig:

Zunächst gibt es statt einem zentralen Netzwerk viele eigenständige Subnetzwerke, was auch als „Network of networks“ bekannt ist.

Ein enormer Vorteil ist dabei die Unabhängigkeit von einer zentralen Stelle. Unabhängig bedeutet aber nicht isoliert, stattdessen besteht so mehr Potential für gegenseitige Unterstützung und Wachstum. Die einzelnen Netzwerke leben vom Arbeiten und Austausch miteinander und tragen zur gegenseitigen Weiterentwicklung und Optimierung bei.

Zudem sind sie anpassungsfähig in Bezug auf ihre Umgebung.

Neben industrieller Fertigung gelten Anwendungen im Bereich Smart City als perfekter Einsatzbereich für solche kollaborativen 6G-Netzwerke, wo ohne zuverlässige Vernetzung bei Versorgungsausfällen große Schäden drohen. Selbstständig steuernde Drohnen, beispielsweise für Transportaufgaben innerhalb der Stadt, Prozesse wie kollisionsfreies und sicheres autonomes Fahren oder die gemeinschaftliche Bearbeitung von Gütern werden von den Eigenschaften dieser Netze profitieren, ist Prof. Dr. Norman Franchi überzeugt. Der Inhaber des Lehrstuhls für Elektrische Smart City Systeme und sein Team vertreten die FAU im 6G-ANNA-Projekt.

„Im Falle von 6G werden Smart Cities ein perfekter Einsatzbereich sein. Laut Prognosen sollen bis 2050 zwei Drittel der Bevölkerung in Städten leben. Eine stabile Verbindung von Infrastruktur, öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Menschen wird noch wichtiger sein als sie es heute schon ist.“ Prof. Dr. Norman Franchi, FAU

Über die Weiterentwicklung von 5G, das Potenzial von 6G für Smart Cities und die Bedeutung von Ökosystemen bei der Digitalisierung hat Fuenf-G.de im April mit Prof. Franchi gesprochen. Sehen Sie hier das Video im Rahmen unserer Gesprächsreihe „5 Fragen an …“

Neben dem Industrieprojekt 6G-ANNA ist die FAU auch im Open6GHub vertreten. Hier geht es um reine Grundlagenforschung für nachhaltige, energieschonende und sichere Netzwerke. Darüber hinaus ist die FAU über den Beitrag von Norman Franchi auch Teil der vom BMBF geförderten „6G-Plattform – Die Plattform für zukünftige Kommunikationstechnologien und 6G“. Mit dieser Initiative wird die Erstellung wissenschaftlicher Beiträge gefördert und die Umsetzung des deutschen bzw. europäischen 6G-Programms wissenschaftlich und organisatorisch begleitet.

Digitale und technische Souveränität mit 6G

Offenbar hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Denn bei der Entwicklung von 5G spielte Deutschland praktisch keine Rolle, und trotz der starken europäischen Akteure Ericsson und Nokia spielten beim Aufbau der 5G-Netze in der EU zunächst auch chinesische Anbieter eine starke Rolle. Das änderte sich erst als die Politik Zweifel bekam, ob man eine zentrale Infrastruktur der Wirtschaft Unternehmen anvertrauen kann, die möglicherweise dem Einfluss eines Staates unterliegen, der nicht nur zunehmend totalitär nach innen auftritt, sondern auch zumindest autoritär nach außen.

Lange wurde in Europa verkannt, wie China seine Position strategisch ausbaute, um Einfluss auf technische Entwicklungen zu nehmen. Ein ungewöhnlich hoher Anteil an Führungspositionen in Standardisierungsgremien und immer neue Vorstöße chinesischer Unternehmen, Möglichkeiten zur Überwachung oder zum Datensammeln in Standards einzufügen, zeigen, dass die technische Entwicklung nicht frei von politischer Einflussnahme ist.

Die Unterbrechungen von Lieferketten, sei es durch Corona-Lockdowns, technische Probleme in großen Produktionsstätten oder diverse Probleme der Logistikbranche, haben Wirtschaft und Politik die Schattenseiten der massiven Produktionsverlagerung nach Asien vor Augen geführt. Masken und Medikamente, aber eben auch Computerchips und Akkus sind nur einige der Produkte, bei denen wir von außereuropäischen Lieferanten weitgehend abhängig sind.

Die Politik hat endlich reagiert und die Entwicklung der zukünftigen Kommunikationsinfrastruktur zu einer europäischen Aufgabe erklärt. 6G-ANNA ist dazu ein zentrales Projekt, aber längst nicht das einzige, wie beispielsweise die Initiative 6GKom und andere Forschungsvorhaben belegen. Entwickler-Know-how, Einfluss auf die Standardisierung und eine regionale Fertigung werden dazu beitragen, dass Deutschland und Europa Souveränität zurückgewinnen – sowohl bei der Weiterentwicklung der Technik als auch bei ihrem Einsatz für den Ausbau der Digitalisierung.

Mobilfunk wird auf 6G aufrüsten

"Mobile 5G-Kommunikationsnetze haben sich in der Covid-19-Pandemie in Österreich bewährt", sagte der Mobilfunkexperte Thomas Zemen vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien im Gespräch mit der APA. Es ermöglichte Homeoffice in großem Maßstab und somit effektives Social Distancing. Zemen forscht schon am Nachfolger 6G, denn für die künftige wichtige Kommunikation unter bewegten Maschinen wären selbst die gute Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit von 5G nicht genug.

Von 2G bis 6G

"Bei der Mobilfunk-Kommunikation geht es schon heute um sehr viel mehr als bloße ortsunabhängige Sprachkommunikation, die erstmals mit 2G, vulgo GSM, in den 1990er-Jahren für eine breite Öffentlichkeit anwendbar wurde", erklärte er. 3G ermöglichte rund um die Jahrtausendwende Videotelefonate sowie Internetsurfen und 4G etwa größere Downloads sowie TV-Streaming. "All diese Systeme waren auf menschliche Benutzer und Benutzerinnen zugeschnitten, die solche Services nutzen", so Zemen. Es gäbe aber zunehmend Bedarf von schneller und zuverlässiger Kommunikation zwischen Maschinen, etwa für Steuerungssysteme in Auto und Bahn, sowie bei Fertigungsanlagen.

Verzögerungen nicht mehr geduldet

Während bei der alltäglichen Sprachkommunikation von Mensch zu Mensch Verzögerungen (Latenzzeiten) von einer Zehntelsekunde (100 Millisekunden) akzeptabel sind, braucht man für professionelle und automatisierte Anwendungen kürzere Latenzzeiten, sagte Zemen: "Damit sich ein Sänger bei Aufnahmen selber hört, sollten sie weniger als fünf Millisekunden sein." Bei ferngesteuerten Maschinen, die dem Tastsinn Feedback liefern, müssten sie noch kürzer ausfallen, und dürfen rund eine Millisekunde nicht überschreiten. So schnell wird 5G erst in einigen Jahren sein.

6G wird Kommunikation verändern

In europäischen Forschungsprojekten wollen Zemen und seine Kollegen bei 6G eine noch kürzere Latenzzeit von 100 Mikrosekunden (also einer Zehntelmillisekunde) gewährleisten. Dies würde miteinander kooperierenden Fertigungsrobotern eine hohe Genauigkeit ermöglichen. Gleichzeitig sollen keine Datenpakete verloren gehen; mathematisch ausgedrückt: Die Zuverlässigkeit sollte größer als 99,999 Prozent sein. Bei bewegten Kommunikatoren wie Autos, Flugzeugen und Schienenfahrzeugen ist das eine veritable Herausforderung, sagte Zemen.

Wie funktionieren Funksignale?

Funksignale sind elektromagnetische Wellen mit rund zehn Zentimetern Wellenlänge, die von einer Antenne ausgesendet werden, sich in alle Raumrichtungen ausbreiten, und bei der Antenne des Empfängers ankommen sollen. Auf ihrer Reise mit Lichtgeschwindigkeit werden sie an Gebäuden, Bergen oder Bäumen in verschiedene Richtung reflektiert. An der Empfangsantenne summieren sich nun all diese Ausbreitungspfade und können sich dabei verstärken oder auslöschen. Diese Schwankung des Empfangssignals ist bei bewegten Sendern verstärkt. "Die Empfangsqualität ist daher ein zufälliger Prozess und kann einmal gut, einmal schlecht sein", so der Experte. Steigern kann man sie, indem man das gleiche Signal mittels Mehrfachantennensystemen über verschiedene Ausbreitungspfade sendet. "Damit stellt man sicher, dass ein Signal bestmöglich beim Empfänger ankommt", sagte er.

Energiekonsum als Herausforderung

Eine zweite Herausforderung wäre der Energiekonsum. "Die Funkkommunikationssysteme und das Internet verbrauchen aktuell etwa vier Prozent des weltweiten Energiebudgets", erklärte Zemen. Mit erhöhtem Datenvolumen und Sendegeschwindigkeiten würde der Energieaufwand steigen. Um klimaneutral zu werden, müsse man jedoch Energie sparen. "Damit beschäftigen wir uns auch, wir erforschen etwa Ansätze mit Quantensensorik, auch die Koppelung von elektronischen mit optischen Systemen ist derzeit ein großes Thema", so der Forscher. Zemen schätzt, dass es ungefähr zehn Jahre Forschungsarbeit auf europäischer und weltweiter Ebene benötigt, bis 6G anno 2030 kommerziell verfügbar sein wird.

(Quelle: APA)

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